März 2021
Liebe My Sportladies,
jetzt haben wir schon über 4 Monate geschlossen. Langsam baut sich die Erwartung und Vorfreude immer mehr auf, My Sportlady wieder zu öffnen. Wir haben die Zeit genutzt, mit Online Kursen, organisatorischen und technischen Veränderungen, Planung von Aktionen und auch Reparaturen. Jedoch war der Schmerz, durch die leeren, jetzt riesig wirkenden Hallen zu gehen, jeden Tag spürbar. Am Anfang kroch da schon die Angst hoch, dass vielleicht nie mehr jemand kommen darf oder gar mag. Oder es nicht mehr möglich ist, die hochpreisige Miete zu zahlen.
Irgendwie war es ein Segen, arbeiten zu dürfen, auch wenn es alles andere als normal war. Einen Tag sind die Emotionen auf und nieder gesaust und am anderen Tag war die Ruhe und Abgeschiedenheit im Homeoffice einfach nur heilsam. Einen Tag war ich genervt und wollte nur mein altes Leben zurück. Dann fühlte ich, dass mir langsam die Luft ausgeht. Die Luft zum Atmen. Es ging dann nicht ums Geld, ums Wirtschaftliche, obwohl das in einem Unternehmen ja immer mitspielen muss, um die Existenz von Vielen zu sichern. Es fehlte mir plötzlich die frische Brise des Sich-Entfalten-Könnens, Sich-Frei-Fühlens, die Eigenverantwortlichkeit und das weite Hinausblicken als Unternehmerin.
Ich fühlte mich in einer Abwarteposition ohne wirkliche Perspektiven für mein Studio. Keine Ansage, kein Wahrnehmen einer Branche, kein Schreiben der Regierung. Es war ein wenig so, als ob man nicht da wäre. Sicher war immer ein Verständnis für die Maßnahmen gegeben und der Lockdown hatte seine Berechtigung. Aber es fehlte die Perspektive, das Einbeziehen von mündigen Unternehmen. Vor Ort hätten wir mit Unterstützung von Experten die richtigen Entscheidungen zum Schutze der Menschen treffen können. In der Zeit der Pandemie haben sich aber auch wieder Möglichkeiten ergeben. An dem Meistern der Herausforderungen sind wir oft an unsere Grenzen gegangen, aber haben auch mächtig etwas über uns selbst dazu gelernt. Es gibt viele Neugründungen, neue Ideen für unser eigenes Dasein, Reflektionen, wie und warum bin ich eigentlich hier und das Entstehen von kreativen Ideen. Auch in unseren eigenen Reihen sind wir mit Kursen auf Zoom, mit neuen Ideen gewachsen und zielen jetzt mehr auf den Gesundheitsmarkt.
Es geht weiter, doch die Mitglieder fragen uns, wann wir öffnen und keiner wusste eine Antwort darauf, geschweige denn ich. Die Mitarbeiter in Kurzarbeit sind auf Warteposition und die, die im Studio arbeiten dürfen, strahlen nicht mehr wie früher. Jeder versucht durchzuhalten, sein Bestes zu geben, aber es fehlt der Kontakt nach Außen, der Esprit, den die Interaktion mit den Kunden bewirkt. Warum ist man denn in der Fitnessbranche? Um sich zu bewegen, um zu kommunizieren, um mit Freude seiner Arbeit und Leidenschaft gleichermaßen nachgehen zu können.
Sicherlich muss der Staat die Bürger schützen, doch macht denn der Staat seine Sache wirklich so gut? Überall Regulierungen, Verbote, Restriktionen, keine klaren Ansagen, was ist wenn…
Ein Versagen auf vielen Ebenen, höre ich von vielen Seiten. Die Novemberhilfe wurde erst im Februar ausbezahlt, das hat bestimmt einige Existenzen gekostet. Die Software hat wohl nicht funktioniert. Was bedeutet das für den Einzelnen, wenn die Miete nicht bezahlt werden kann, wenn die Gehälter fällig sind und die Krankenkassen abbuchen? Der Plan, der den Ausstieg aus den Regulierungen beschreibt, ist aber schwer umsetzbar. Einen Tag kann es so sein, einen Tag so. Wie soll man da ein Team motivieren, Programme aufstellen und klare Ansagen machen? Es gibt keinen Beweis, dass die Regierung die Krise besser managt, als die Unternehmen. Wir haben uns viele Gedanken gemacht, wie wir unsere Mitglieder schützen, wie wir Abstände schaffen und wo eine Ansteckung möglich wäre. Sogar die Älteren kamen alle wieder, als wir im Sommer wieder aufmachen durften. So strahlend habe ich sie früher ganz selten gesehen. Vielleicht, wenn sie Großmutter wurden. Motiviert waren sie, ihre Gesundheit aufzubauen und Verantwortung zu übernehmen. Sicher haben sie sich gefühlt, sagten sie immer wieder, toll sind die Hygienemaßnahmen und wie sie uns doch vermisst haben. Unverständnis, als wir schließen mussten und Traurigkeit, wieder in die Einsamkeit zurück und nicht wissen, was kommt und wann es kommt.
Die meisten Bürger wünschen sich wohl doch einen strengen, fürsorgenden Staat. Der Staat soll dann mal handeln, Hauptsache ich nicht, denken viele. Solidarisch lieber nicht, wenn ich nicht direkt betroffen bin. Hauptsache meine Komfortzone bleibt erhalten. Querdenker, Demo-Teilnehmer sind alle rechts, Coronaleugner und Staatsfeinde. So habe ich das nicht gesehen auf der Demo, da sah ich einige Mitglieder, Omis und Opis, Mütter mit Kinderwagen, natürlich auch Alternative und Unternehmer und ich mit meinem Schild “save small business around the world“ mitten unter ihnen. Die negativen Berichte über die unverantwortlichen Bürger, die sich dem Staat entgegenstellen, verwunderten mich nur. Das Polizeiaufgebot erschreckte mich, so ließ ich es dann doch sein, den Demos zu folgen. Man durfte es ja auch nicht sagen, denn schon kam man in die Schublade „Querdenker“.
Das Eigenständige und Selbstständige geht immer mehr verloren. Verloren gehen damit auch Innovationen, Entfaltungsspielraum, Lebenswerte. Ein Mehrwert, der in der Gesellschaft nicht wegzudenken ist. Ein Mehrwert, der gesund erhält. Mit Freude zur Arbeit gehen, kreativ sein, Dinge bewegen. Was für ein Antrieb, was für eine Begeisterung, die in einem Unternehmer entfacht ist, dann überspringt auf ein Team und dann auf den Kunden, die unsere Mitglieder mitzieht und sie glücklich macht.
Seit Jahren wird der Spielraum kleiner, immer mehr Bürokratie und praxisferne Anordnungen. Unsere Studioleitung verbringt viel Zeit mit Formularen und wir beschäftigen Externe, um den Überblick über die Regulierungen nicht zu verlieren.
Die Novemberhilfe ist da, es erleichtert, ist ein gutes Gefühl, unbeschwerter weitermachen zu können. Ich war mir nie ganz sicher, ob sie gewährt würde, nachdem wir für die beiden anderen Überbrückungshilfen abgelehnt wurden. Aber sie wäre nicht notwendig gewesen, wenn wir in einem kleinen Spielraum weitermachen hätten dürfen. Das Geld wird fehlen, in der Zukunft, für Dinge, die wir brauchen. Infrastruktur, Schulen, Renten, Bedürftige. Wie viele hungrige Münder hätten mit dem Geld gefüttert werden können? Wie viele Familien unterstützt?
Endlich sind die Friseure offen. Herrlich auf der einen Seite. Die Frage bleibt aber offen: „Warum dürfen wir nicht mal draußen vor der Tür mit den Mitgliedern ein paar Übungen machen?“ Das Kreisverwaltungsreferat kam unangemeldet vorbei und hat uns mündlich abgemahnt. Ich konnte es nicht glauben, dass sie es ernst meinen angesichts einer sinnlosen Anordnung, bei der keiner an die Menschen dachte, die doch Bewegung so dringend brauchen. Realitätsfremd, autoritär, ja Frau Merkel und Herr Söder sagen jetzt was wir dürfen und was nicht. Da gab es wieder Fragen der Trainerin und Ärger bei den Trainierenden. Fragen, auf die ich keine Antwort wusste.
Auf der anderen Seite ist da natürlich die Dankbarkeit, eingebettet zu sein, in einem wunderbaren Konzept, für das ich seit 36 Jahren einstehe. Umgeben von zugewandten Mitgliedern, treuen Mitarbeiter/innen und einem großartigen Standort im Herzen Münchens. Die kreativen Ideen, die jetzt entstanden sind, wären vielleicht niemals ans Licht gekommen. Mit der Herausforderung bin ich gewachsen, sind unsere Mitglieder und Mitarbeiter/innen gewachsen und vielleicht die ganze Welt.
Es tut mir jetzt gut, tief und fest zu schlafen, obwohl das nicht immer funktioniert. Ich kümmere mich um meine Kraft. In meiner Mitte zu ruhen, ganz bei mir zu sein. Mich zu entfalten, alles zu spüren, was mich ausmacht. Ich habe viel geübt, mich von meinen Sorgen zu trennen und gebe auch mein Wissen in diesem Bereich weiter, mit meinen Kursen, für die ich mir vielleicht nie die Zeit genommen hätte.
Was ich mir wünsche? Dass wir nicht aufgeben, dass wir unsere Meinung sagen können, dass wir mutig sind, dass wir uns nicht alles gefallen lassen und wir sagen können, was wir denken.
Wir warten jetzt weiter auf die Öffnung unseres Studios.
Ich bewundere Menschen, die es geschafft haben, aus der Krise das Beste zu machen. Die immer in der Zuversicht und Güte bleiben konnten. Es ist nur menschlich, auch mal zu zweifeln, Frust zu haben und sich richtig zu ärgern. Wir wissen, dass wir damit nicht allein sind. Gerade jetzt ist es so wichtig, dass wir zusammenstehen und in der Gemeinschaft Kraft schöpfen.
Das hat mir sehr geholfen und verbindet mich mit Dankbarkeit.
Deine Jasmin